Darüber schreiben wir doch nicht wieder ein Buch?
fragten Schüler/innen aus meinem 9er Deutsch-E-Kurs vorsichtshalber, als ich fragte, ob sie Geschichten schreiben wollen. Die meisten hatten schon bei den ersten beiden „Büchern“ mitgeschrieben: „Billy Elliot – I will dance“ (wurde über 200 mal gekauft!) und „Freizeit. Reportagen. Interviews. Geschichten“. Das waren schöne Erfolge und viel Arbeit.
Wir erarbeiteten Kriterien für das Schreiben ihres „Romans“, ihrer Geschichte, Fachbegriff „Kurzprosa“.
Die Schüler/innen sollten realistisch erzählen.
Ich wusste, es würden Oberflächlichkeiten, Kitsch und Klischees dabei herauskommen, wenn sie über etwas erzählen, was sie nicht wirklich kennen. Nun kennen 14-, 15-jährige noch nicht soviel vom Leben. Ihre Stärke liegt in ihrer Lebenserfahrung, da sind sie Fachleute, da kennen sie sich aus. Davon sollten sie erzählen.
Sie brauchten Einfühlungsvermögen, Fantasie und Lust, die passenden Worte dafür zu finden, so wie ein Schreiner die passenden Hölzer findet und einfühlsam zusammenfügt, damit ein wunderbarer, haltbarer Schrank entsteht.
Diese Erzählungen basieren – wie bei professionellen Schriftstellern - auf ihren Lebenserfahrungen, sie sind aber fiktional, d.h. Namen, Personen, Orte, … sind erfunden.
Sie schrieben, lasen im Unterricht vor. Wir überprüften ihre Entwürfe, lobten und kritisierten. Manche schrieben neue Geschichten, wenn ihre vorherige klischeehaft oder unrealistisch war. Ich korrigierte, eliminierte gefühlte 4711 Rechtschreib-, Grammatikfehler, „dann – danach – also – sehr“ usw. - Füllselwörter. Ich gab Tipps, stellte Fragen, ermunterte, ermahnte zum Weitererzählen. Sie schrieben, lasen die verbesserte, erweiterte Erzählung vor …
Wichtig war, dass es ihre Geschichte, Wortwahl, Erzählweise wurde und blieb.
Die Geschichten sind traurig, lustig, herbe, berührend, irritierend, so wie ihre Lebenserfahrungen. Und das ist der Sinn von Literatur: andere Lebensmöglichkeiten kennen zu lernen, nicht nur die, die einem vertraut sind.
Beim Korrekturlesen einer der Geschichten stieß ich auf „Ich (ein kleiner Junge) saß immer noch auf der Hoffnung“ – und hätte es beinahe korrigiert, aber ist dieses kindliche Sprachbild nicht schöner und treffender als jede Metapherregel? Lesen Sie die Geschichte und all die anderen!
Liebe Schüler/innen, versprochen, dies ist dann das letzte Buch, das wir schreiben bzw. geschrieben haben!
Obwohl: Einige haben mir gesagt, dass sie schon an einer weiteren Geschichte schreiben.
Aber auf keinen Fall schreiben wir nochmal ein Buch! O.k.
Nur falls doch, denkt dran, mal in der Fußballsprache gesagt mit Jürgen Klopp „Lieber ein 4:4 als ein 0:0.“
oder mit Bertolt Brecht
„Wer immer seinen Schuh gespart
Dem ward er nie zerfranst.
Und wer nie müd noch traurig ward
Der hat auch nie getanzt.“
beim Erzählen und im Leben.
Dezember 2013 Herr Juncker
p.s. 1 Dank an den freundlichen Herrn Kolpatzek, der beim Eintippen und Speichern auf die Computer erste und letzte Hilfe leistete.
p.s. 2 (nur für Eltern, Tanten usw.) Schenken Sie Ihrem Kind zu Weihnachten, Geburtstag usw. statt des allerallerneuesten I-Phone ein wunderbares Jugendbuch, z.B. Julien Green: Das Schicksal ist ein mieser Verräter /
Wolfgang Herrndorf: tschick / Morten Rhue …
Hier finden Sie das Inhaltsverzeichnis des Buches...